Friedhöfe: Orte der Ruhe und Besinnung

22.11.2012

Zossens Friedhof ist auch ein grünes Refugium

Friedhöfe haben sich im Laufe der letzten Jahrhunderte neben ihrer Funktion als Stätte der Ruhe immer mehr auch zu einem Ort der Besinnung entwickelt. Das zeigt sich auch in gartenarchitektonischen Veränderungen bei der Friedhofsgestaltung. Gerade größere Friedhöfe haben sich im Laufe der Zeit immer mehr in Richtung einer Parklandschaft entwickelt und so erfüllen sie heute immer stärker eine gesellschaftliche Erholungsfunktion. Mangels anderer Grünflächen sind städtische Friedhöfe oft die einzigen Naturoasen, in denen sich gestresste Städter von der Alltagshektik erholen und im Grünen zu sich selbst finden können. 
 
 
Ursprünglich bot der mittelalterliche Kirchhof den Toten nur wenig Ruhe. Er diente auch als Gerichts-, Markt-, Fest-, Versammlungs- und Zufluchtsort. Sterben gehörte im Mittelalter zum alltäglichen Leben. Missernten, Kriege, eine geringe Lebenserwartung (ca. 30 Jahre) und eine extrem hohe Kindersterblichkeit sowie Epidemien waren Ursachen dafür.
 
Aufgrund der räumlichen Begrenzung des Kirchhofs war die Ruhefrist der Toten nur auf wenige Jahre begrenzt und grabbezogene Bepflanzungen häufig nicht vorhanden. Auch eine Gestaltung des Kirchhofs unter ästhetischen Gesichtspunkten fand eher nicht statt.
 
Zur Zeit der Reformation und verstärkt während der Aufklärung fand ein Umdenken in der Wahrnehmung des Friedhofs statt. Vor allem der Reformator Martin Luther (1483-1546) sah im Friedhof nicht nur eine Stätte der Ruhe für die Toten, sondern schrieb ihm auch eine durchaus weltliche Rolle zu. Gemäß Luther, der das bisherige bunte Treiben auf dem Kirchhof ablehnte, sollte der Friedhof für die Hinterbliebenen eine Stätte des Trostes, der Besinnung und der Erbauung sein.
 
Ein erster Schritt in diese Richtung war die Verlagerung der Begräbnisstätten vom Kirchhof vor die Tore der Stadt. Ein Grund dafür war die schon im Spätmittelalter geäußerte Kritik an den hygienischen Verhältnissen und an der wirtschaftlichen Nutzung des Kirchhofs.
 
Die großen Pestwellen des 14. und des 15. Jahrhunderts beschleunigten die Anlage von einfach strukturierten Friedhöfen außerhalb der Stadtmauern. Bei ihrer Gestaltung spielten ästhetische oder gar gartenarchitektonische Aspekte noch keine große Rolle. Erst allmählich setzte eine systematische Bepflanzung ein. Der zweite Schritt, der die Friedhofsgestaltung bis in unsere Zeit entschieden geprägt hat, war die sich ändernde Auffassung vom Tod in der Zeit der Aufklärung (ca. 1750 – 1830). Kirchliche Dogmen wurden kritisch betrachtet und die Vorstellung vom Tod als Übergang ins himmlische Leben bezweifelt. Losgelöst vom Versprechen der Ewigkeit bekam der Tod plötzlich etwas sehr Bedrohliches. Um dieser Endgültigkeit ihre Schärfe zu nehmen, trat bei der Friedhofsgestaltung eine ästhetisch gestaltete Parklandschaft mit Bäumen und blühender Rahmenbepflanzung in den Vordergrund.
 
Mit der größeren Distanz des Friedhofs vom Stadtzentrum nahm auch die Präsenz der Toten im alltäglichen Leben ab, so dass Ende des 18. Jahrhunderts der Besuch der Toten zu einem bewussten Akt und ritualisiert wurde. Hierzu zählt beispielsweise der Ewigkeitssonntag oder Totensonntag. Er ist in den evangelischen Kirchen in Deutschland ein Gedenktag für die Verstorbenen. Begangen wird er am letzten Sonntag vor dem ersten Adventssonntag und damit ist er der letzte Sonntag des Kirchenjahres.
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Die an englischen Landschaftsgärten orientierte Friedhofsarchitektur des 19. Jahrhundert wollte erhebende anstelle niederdrückender Gedanken beim Besucher erwecken. Die Wahrnehmung der Schönheit der Natur sollte im Vordergrund stehen. Die Gräber wurden in die Parklandschaft oder den Wald eingebettet und so trat der Tod hinter die Natur zurück. Der Anblick des Friedhofs wurde für den Besucher erträglicher. Die Naturerfahrung half und hilft den Besuchern, auch in Zeiten der Trauer zu sich zu kommen, die Ruhe auf sich wirken zu lassen und Trost und Entspannung zu finden.
 
Der Tod selbst ist heute weniger vertraut - das Sterben findet in der Regel im Krankenhaus statt, nicht mehr daheim im Kreise der Familie. Trauer wird zurückgehalten und der Tod verdrängt. Eine Professionalisierung und Bürokratisierung des Todes greift um sich. Die Anonymität vieler Friedhöfe spricht für sich selbst.
 
Viele der heute noch bestehenden Friedhöfe – so auch der Zossener Friedhof - haben ihren gestalterischen Ursprung in den Park- oder Waldfriedhöfen des 19. Jahrhunderts. Mit ihren breiten Alleen und ihrem alten Baumbestand bilden sie oft neben städtischen Parks die einzigen Naturoasen in einer Stadt. Friedhöfe haben somit einen gesellschaftlichen Mehrwert: Sie sind nicht nur Erinnerungsstätte für die Toten, sondern auch ein grünes Biotop und ein Refugium für alle, die die Ruhe suchen.

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